Die Wohnungsfrage rückt aufgrund der grassierenden Arbeitslosigkeit und der massiven Einkommenseinbußen für immer mehr Menschen in den Vordergrund. Viele Menschen können sich die Miete schlicht nicht mehr leisten. Gemäß § 1 des 2. Covid-19-Justiz-Begleitgesetzes können Mieter*innen aufgrund eines Zahlungsverzuges innerhalb des Zeitraums vom 1. April bis 30. Juni 2020 nicht gekündigt werden. Diesen bleibt bis zum 31. Dezember 2020 Zeit, den Zahlungsrückstand zu begleichen. Allerdings gemäß § 3 zuzüglich der jährlichen Verzugszinsen von vier Prozent. Das ist zwar besser als nichts, reicht aber für viele nicht.
Mit über 570 000 Menschen, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind oder sich in Schulungen befinden, hat die Arbeitslosigkeit mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 58 Prozent in Österreich einen historischen Höchststand erreicht. In Tirol hat sich die Arbeitslosigkeit sogar mehr als verdoppelt. Dabei ist noch nicht sicher, ob sich die Situation nach einer Entspannung im Sommer im Herbst und Winter erneut verschärft. Denn wenn die Virolog*innen Recht behalten, dann ist mit einer zweiten Welle im Herbst zu rechnen, die im schlimmsten Fall zu einem zweiten Lockdown führen könnte. Wenn das geschieht, dann wird die Arbeitslosigkeit ein erneutes Rekordniveau erreichen.
Zudem sind österreichweit etwa 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Auch ein Teil dieser vorerst abgesicherten Arbeitsplätze steht bei ungünstigem Verlauf der Gesundheitskrise zur Disposition.
Wir müssen also festhalten, dass knapp zwei Millionen Menschen über Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit mäßige bis massive Einkommensverluste von etwa 10 bis 45 Prozent hinnehmen müssen. Hinzu kommen etwaige Trinkgelder, die nun ebenfalls wegfallen. Selbst unter der Annahme, dass diese Leute ab dem 30. Juni wieder ihr bisheriges Einkommen erzielen könnten, müssten sie bis Ende dieses Jahres auch noch die Einbußen aufholen, die ihnen der Einkommensverlust beschert, um den Mietrückstand fristgerecht zu begleichen. Die Wohnkosten sind aktuell einer der größten Preistreiber am Markt und liegen deutlich über der aktuellen Inflation.
Vor diesem Hintergrund ist es dringend an der Zeit, dass die Bundesregierung auch an die zahlreichen Mieter*innen denkt und die Vermieter*innen zu Abschlägen zwingt. Leider hat die türkisgrüne Bundesregierung hierauf noch immer kein Augenmerk gelegt. Dass die ÖVP der Immobilienbranche verpflichtet ist, ist seit langem bekannt. Doch auch die Grünen haben sich bislang noch nicht als Mieterschützer*innen hervorgetan.
Ähnlich sieht es übrigens in Innsbruck aus, wo ein (Teil-)Erlass der Mieten in den Stadtwohnungen für Härtefälle bislang nicht zur Debatte steht, während die Stadt andererseits per Notrecht die Mieten für die Gastgärten bis zum Ende der Saison erlassen hat und den Gastgartenbetreiber*innen sogar noch zusätzliche Nutzungsfläche gewährt. Während die Stadt bei ihren Mieter*innen knauserig ist, lehrt sie über die Gaststätten eine goldene Gießkanne aus. Ohne zu prüfen, ob die betreffenden Gaststätten im restlichen Sommer durch die Vergrößerung der Gastgärten einen Umsatz hätten, mit denen sie auch die Mieten zahlen können oder nicht. Dass das rund 400 000 Euro ausmacht, die der ohnehin klammen Stadtkasse fehlen, spielt hier also keine Rolle.
Aber offenkundig hat die Stadt nach dem Debakel rund um die Patscherkofelbahn und die Kostenexplosion rund um das Haus der Musik und das jüngste Vergleichsdebakel rund um das MCI ohnehin die Spendierhosen an. Nur leider nicht unbedingt für diejenigen, die es dringend gebrauchen würden.
Roland Steixner
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