Covid-19 hat die öffentliche Aufmerksamkeit fest im Griff. Zu Recht. Denn die Ausbreitung dieses Krankheitserregers wurde von der WHO als Pandemie klassifiziert. Italien ist bereits abgeriegelt. Auch in Tirol sind etwa das Paznauntal und St. Anton am Arlber bereits unter Quarantäne gestellt. Der Alltag ist ausgesetzt.
Grund für diese Aufregung ist ein Virus, das zum Stamm der Corona-Viren gehört und somit verwandt ist mit den Verursachern von MERS (Middle East Respiratory Syndrome), das bis 2018 weltweit über 2100 Menschen infizierte, wobei gut ein Drittel der Infizierten daran starb, und SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome), das im Zeitraum von November 2002 bis Juni 2003 über 8 000 Menschen infizierte, von denen 776 daran starben. SARS-CoV-2 (Covid-19) entwickelt ebenso wie SARS-CoV-1 und MERS-CoV Symptome, die von einer Erkältung bishin zu einer schweren oder gar tödlichen Lungenentzündung reichen. Der Unterschied besteht allerdings einerseits im Ausmaß der Verbreitung und andererseits in der Letalität. Die schlechte Nachricht ist, dass Covid-19 sich weitaus stärker und rascher verbreitet als SARS und MERS. Mittlerweile wurden weltweit bereits mehr als 120 000 Menschen infiziert, wobei in China, wo das Virus zuerst festgestellt wurde, der Höhepunkt bereits überschritten ist. In Österreich sind mittlerweile über 500 Menschen infiziert, wobei Tirol das am stärksten betroffene Bundesland ist. Neuere Erkenntnisse lassen darauf hoffen, dass das Virus weniger lange übertragbar ist als bisher befürchtet. Die gute Nachricht ist dagegen, dass die Sterblichkeitsrate von Covid-19 deutlich niedriger ist als die von MERS und SARS. Genaue Zahlen können derzeit noch nicht angegeben werden, doch Studien legen eine Letalität von etwa fünf Prozent für die Provinz Hubei, wo das Virus ausbrach, und deutlich niedrigere Werte für andere Regionen in China nahe. Es hätte also schlimmer kommen können.
Die individuelle Wahrscheinlichkeit, an einer von Covid-19 verursachten Lungenentzündung zu sterben, ist relativ gering. Gemäß den Angaben des Robert Koch Instituts haben etwa 80 Prozent der Infektionen einen milden bis moderaten Verlauf, 14 Prozent verlaufen schwer, aber nicht lebensbedrohlich. Etwa sechs Prozent der Infizierten entwickeln jedoch lebensbedrohliche Symptome. Da Covid-19 aber leichter übertragbar ist als SARS und MERS und da es in der Bevölkerung im Gegensatz zu den Influenza-Viren keine Grundimmunität gibt, ist die Wahrscheinlichkeit dass binnen kurzer Zeit ein großer Teil der Bevölkerung erkrankt. Es wird davon ausgegangen, dass etwa zwei Drittel der Bevölkerung binnen kürzester Zeit infiziert sein könnte. Das übersteigt aber die Grenzen der Kapazität unseres Gesundheitssystems. Eine Berechnung der TU-Wien simuliert für die Stadt Wien bei einer ungebremsten Ausbreitung der Infektion einen akuten Bettenbedarf von rund 32 000 Spitalbetten. Derzeit gibt es dort lediglich etwa 10 000 Betten. Die gute Nachricht ist, dass durch die Reduktion der sozialen Kontakte um 25 Prozent die Infektionskurve entschieden verflacht werden kann. Dennoch wird auch dann noch zum – zeitlich verlagerten – Epidemie-Höhepunkt eine zusätzliche Kapazität von 6 400 Betten benötigt.
In Zeiten wie diesen wird deutlich, dass im Gesundheitswesen nicht gespart werden darf. Dramatische Szenen wie in Italien, wo ältere Menschen teilweise nicht behandelt werden können und sich telefonisch von ihren Angehörigen verabschieden, um dann allein zu sterben, müssen unbedingt vermieden werden. Um das zu schaffen, kann jede*r Einzelne etwas tun. Die sozialen Kontakte in der nächsten Zeit soweit zu reduzieren, dass die Ansteckungsgefahr deutlich verringert wird, und dabei besonders auf den Schutz von Risikogruppen zu achten (ältere Menschen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Vorerkrankungen) und entsprechende Hygienemaßnahmen sind das Gebot der Stunde. Die Reduktion der Ansteckungsgefahr schont nicht nur die Kapazitäten zur Versorgung von Menschen bei denen Covid-19 schwer bis lebensbedrohlich verläuft, sondern sichert auch die Kapazitäten für diejenigen Patient*innen, die aus anderen Gründen dringend intensivmedizinische Betreuung benötigen. Derzeit sind die Kapazitäten der hiesigen Gesundheitsversorgung bereits durch die saisonalen Influenzaviren stark beansprucht, die für Menschen mit geschwächtem Gesundheitssystem ebenfalls tödlich sein können.
Der Zugang aller zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung ist nicht verhandelbar und darf keine Geldfrage sein. Gerade die Anzahl der Spitalbetten wird von der Politik in erster Linie als Kostenfaktor betrachtet. In Zeiten wie diesen ist hingegen jedes vorhandene Spitalsbett goldwert. Daran sollte sich die Landespolitik auch dann noch erinnern, wenn die Corona-Krise überwunden ist.
Die Stadt Innsbruck ist als Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 43 Abs. 3 des Epidemiegesetzes von 1950 mit der Einleitung und Durchführung von Maßnahmen zur Vorkehrung gegen die Ausbreitung von Epidemien betraut und hat die Bescheide für die Absonderung von ansteckungsverdächtigten Personen zu erteilen und sie unter Hausarrest zu stellen sowie Maßnahmen durchzuführen um die Kapazitäten des Gesundheitssystems zu schonen. Folgerichtig ist auch die nächste Gemeinderatssitzung nicht mehr öffentlich zugänglich, um die Infektionsketten zu reduzieren.
Bei aller Nachvollziehbarkeit der derzeit durchgeführten Maßnahmen sollte jedoch die Transparenz nicht unter die Räder geraten. Daher verlangt die ALI, dass die Gemeinderatssitzungen zumindest während der Corona-Krise via Livestream mitverfolgt werden können, um die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen.
In der aktuellen Lage muss bei aller Unterstützung der derzeit offenkundig notwendigen Maßnahmen die Entwicklung des Diskurses kritisch beobachtet werden. Hoch ist nämlich die Gefahr, dass mit dem Argument der Seuchenbekämpfung ein Abbau von Bürger*innenrechten und eine Unterdrückung von sozialen Bewegungen gerechtfertigt wird. Es ist auch darauf zu achten, dass die Abschottung im Rahmen nicht als Freibrief für den Ausbau der Festung Europa missbraucht wird und auf die Schicksale der Menschen an der Grenze zu Griechenland ganz vergessen wird. Außerdem ist darauf zu achten, dass auf die Wohnungslosen und deren Bedürfnisse nicht vergessen wird und es ist darauf zu achten, dass nicht die Lohnabhängigen die Kosten für die Corona-Krise zahlen, während Banken und Konzerne Unterstützung aus der öffentlichen Hand erhalten.
Die Hamsterkäufe können wir uns übrigens sparen. Denn sogar in Italien sind die Lebensmittelmärkte weiterhin offen. Und nicht zuletzt haben wir alle daran mitzuwirken, um Falschnachrichten im Zusammenhang mit der Corona-Krise so schnell wie möglich aufzudecken, ehe auch diese pandemisch werden und letztlich verheerender sein können als das Virus selbst.
Roland Steixner
Foto: CDC Unsplash