Die Wohnungsfrage ist ein zentrales Thema in der Stadt Innsbruck. Die Mieten auf dem privaten Wohnungsmarkt steigen ohne Ende. Umso wichtiger ist des daher, dass die Stadt dort, wo sie einen Gestaltungsrahmen hat, die Wohnkosten so niedrig hält wie nur möglich. Die Alternative Liste Innsbruck hat in der vergangenen Gemeinderatssitzung aufgezeigt, dass für Förderansuchen gemäß dem SOG sehr viel Geld in die Hand genommen wird und teilweise in die falschen Kanäle fließt. Gleichzeitig erfahren die Innsbrucker*innen, dass das Bauvolumen der Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) in den letzten zwei Jahren Rekordwerte erreicht. Man möchte daher meinen, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in der Stadt Innsbruck auf Hochtouren läuft. Das stimmt aber nur bedingt. Die Eigenmittel, die die IIG besitzt, fließen zum Teil in fragwürdige Immobiliengeschäfte, wie etwa den Ankauf der Flächen für die Stadtbibliothek. Es ist selbstverständlich, dass die IIG nicht nur Wohnraum zu schaffen hat, sondern auch weitere Räumlichkeiten zu errichten hat, die für die Bedürfnisse der Bewohner*innen wesentlich sind, wie etwa Pflegeheime, Schulen und Kindergärten, Veranstaltungsräume, Sportstätten, Friedhöfe und Feuerwehrgebäude. Auch eine Stadtbibliothek gehört zu den Räumlichkeiten, die die Innsbrucker*innen dringend benötigen. Die Frage stellt sich aber, wie und zu welchen Bedingungen.
Gerade bei der Stadtbibliothek wurde deutlich, dass die IIG Mittel in der Höhe von knapp 20 Millionen Euro für den Kauf einer Nutzfläche von 4060 Quadratmeter aufbringt. Ob der gesellschaftliche Mehrwert der Vergrößerung letztlich die Investition in ein derartiges Immobilienprojekt rechtfertigt, bleibt zumindest fraglich. Doch die Stadtbibliothek ist nicht das einzige fragwürdige Geschäft der IIG. Im Sommer wurde im Stadtsenat der Kauf der Grundstücksfläche des Sandwirts beschlossen. Kostenpunkt rund 1800 Euro pro Quadratmeter. Wohlgemerkt für praktisch unbebautes Bauland. Denn die Gaststätte soll abgerissen werden und Platz für Wohn- und Büroflächen schaffen. Die Baukosten für ein neues Gebäude kommen also noch dazu. Es ist daher davon auszugehen, dass sich bezahlbares Wohnen auf dieser Fläche kaum ausgehen wird, wenn das Kostendeckungsprinzip vorausgesetzt wird. Hinzu kommen diverse Geschäfte, die Stadt und IIG mit Immobilienentwicklern wie ZIMA, OFA und Planet abschließen, um gegen einen Betrag von rund 3000 bis 4000 Euro pro Quadratmeter ein gewisses Kontingent an Wohnungen aufzukaufen. Auf den ersten Blick scheint es erfreulich, wenn die Stadt bzw. ihre Tocher IIG Immobilien erwerben. Die Frage stellt sich aber, zu welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen das geschieht. Und die Frage stellt sich auch, wer das bezahlen soll.
Finanzierung eines Mietendeckels
Die Instandhaltung und Sanierung von Wohngebäuden ist mit gewissen Kosten verbunden. Die Gebäude, in denen sich die rund 6000 Wohnungen der IIG befinden, müssen in Schuss gehalten werden. Mal ist die Fassade fällig, mal ein Dach zu sanieren. Hinzu kommen die Lifteinbauten in Altbauten und energetische Sanierungen. Gleichzeitig werden IIG-Wohnungen nach Rückstellung und Neuvergabe umfassend saniert. Um diese Kosten zu decken, zahlen die Bewohner*innen auch eine Miete. Und die Nettomieteinnahmen übersteigen diese Sanierungskosten bei Weitem, wie aus der Beantwortung mehrerer ALI-Anfragen hervorgeht. Die aktuellsten Daten lassen dies auch weiterhin nicht befürchten. Denn die Mieten in den IIG sind 2018 zum Vorjahr weiter gestiegen, während die Erhaltungskosten sogar wieder gesunken sind. Großinstandsetzung sind ein eigenes Kapitel, da es sich hier um einen fundamentalen Umbau inklusive der Schaffung von neuem Wohnraum handelt. Für diese Maßnahmen kann die IIG aber zu einem nicht unwesentlichen Teil Wohnbauförderungsmittel lukrieren. Das Mietausfallsrisiko macht nur einen Bruchteil der Kosten aus. Allgemein werden mit etwa vier bis fünf Prozent des Mietzinses beziffert, gemäß dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) dagegen lediglich mit zwei Prozent der Mieteinnahmen unter dem Posten “Rücklagen” kalkuliert. Selbst wenn Mietausfall, Leerstand und nicht umlegbare Verwaltungskosten zum Erhaltungsaufwand hinzugeschlagen werden, dann werfen Immobilien auch dann noch Erträge ab, wenn sie zu Quadratmeterpreisen von lediglich drei Euro netto vermietet werden.
Genau deshalb ist es letztlich nicht verwunderlich, dass sich auch mit den Mieten der IIG ordentliche Erträge erwirtschaften lassen. Denn auch wenn es unter den Stadtwohnungen eine nicht unwesentliche Anzahl an Altmietverträgen gibt, ist dennoch nicht zu bestreiten, dass die Mieten deutlich über den Erhaltungs- und Bewirtschaftungskosten der Gebäude liegen. Die Alternative Liste hat in mehreren Anfragen nicht nur eine detaillierte Aufstellung der Bestandmietverträge in Erfahrung gebracht, sondern auch die Erhaltungskosten der IIG-Wohnungen und deren Mieteinnahmen.
Bereits vor der Innsbrucker Gemeinderatswahl hat die Alternative Liste Innsbruck eine Deckelung der Mieten der Stadtwohnungen auf dem Kategoriemietzins in ihrem Wahlprogramm gefordert. Eine solche wäre jedenfalls für sämtliche IIG-Wohnungen, die nicht dem Wohnbauförderungsmietzins unterliegen, zu machen, ohne dass die Deckung des Erhaltungsaufwands für die Stadtwohnungen ernsthaft gefährdet wäre. Unmittelbar betroffen von einer derartigen Mietzinsminderung wären knapp über 2000 Haushalte, deren Wohnkosten sich damit um je bis zu 200 Euro verringern würde.Davon profitieren in erster Linie Mieter*innen, die in den letzten beiden Jahrzehnten eine Stadtwohnung erhalten haben. Diese sind meist relativ einkommensschwach, zahlen aber deutlich höhere Mieten als diejenigen, die vor 1994 eine Stadtwohnung erhalten haben. Es ist Zeit, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen und das Preisniveau der Stadtwohnungen einheitlich niedrig transparent und fair zu gestalten.
Die Mindereinnahmen der IIG würden rund vier bis fünf Millionen betragen. Aber auch dann würden die Nettomieteinnahmen immerhin etwa drei bis vier Millionen über dem Erhaltungsaufwand der Wohnungen. Gleichzeitig sinkt bekanntlich prozentuell der Anteil der Mietverträge nach § 45 MRG, aus denen kaum ein Ertrag zu erzielen ist, während der Anteil der teureren Richtwertmieten bislang hingegen über die Jahre hinweg sukzessive ansteigt, wie auch aus aus dem Vergleich der Antworten auf die ALI-Anfrage vom 14.06.2018 der Auflistung der Mietverhältnisse im Kontrollbericht über die Mietzinsbildung der IIG-Wohnungen aus dem Jahr 2010 zweifelsfrei hervorgeht. Bereits diese Entwicklung würde die Mindereinnahmen eines von ALI vorgeschlagenen Mietendeckels kompensieren. Die Debatte über die Höhe der Mieten in den IIG-Wohnungen wurde bereits in einem Sondergemeinderat ausgiebig geführt. Und bereits damals hat die damalige Wohnungsstadträtin Pokorny-Reitter festgehalten, dass eine Absenkung der Mieten in den IIG-Wohnungen sowohl aus sozialen Gesichtspunkten dringend erforderlich als auch wirtschaftlich tragbar ist.
Im Arbeitsübereinkommen für Innsbruck 2012-2018 war auf Druck der SPÖ verankert worden, dass für Stadtwohnungen, für die Wohnbauförderungsdarlehen 1968, 1984, 1991 in Anspruch genommen wurde und wird, nach Tilgung der Darlehen für den Bau gemäß § 14 Abs. 7a WGG vornehmen sind. Das wurde umgesetzt und stellt eine deutliche Entlastung für die betroffenen Bewohner*innen dar. Denn die Nettomieten für diese Wohnungen liegen nun ungefähr in der Höhe der Kategoriebeiträge. Gleichzeitig müssen nicht verwendete Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (EVB) gemäß § 14 d WGG zurückbezahlt werden. Trotzdem hat der Erhaltungsaufwand die Mieteinnahmen in den IIG-Wohnungen nicht annähernd eingeholt. Eine Deckelung der Mieten sämtlicher ausfinanzierter IIG-Wohnungen auf den in § 15 a MRG festgelegten Beträge (Kategoriemietzins) oder auf die Bestimmung des § 14 Abs. 7a WGG hätte letztlich den gleichen Effekt: den Anstieg der Erträge im Zuge des sukzessiven Mieter*innenwechsels zu dämpfen und die soziale Gestion der Stadt bei der Mietzinsbildung zu stärken. Ziel muss es jedenfalls sein die Nettomieten der Stadtwohnungen auf einen Betrag von weniger als vier Euro pro Quadratmeter zu deckeln. Folglich lägen die Bruttomieten in Stadtwohnungen dann maximal bei sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter. Vor dem Hintergrund des vielfach beschworenen Fünf-Euro-Wohnens müsste eine derartige Absenkung der Wohnkosten längst auf der Tagesordnung sein.
Ein Notnagel der Refinanzierung der Erhaltungskosten bliebe der IIG indes über die Möglichkeit bei der Schlichtungsstelle eine Verfahren nach § 18 MRG anzustrengen. Das hat sie, wie aus unserer Anfrage hervorgeht, bislang noch nie gemacht. Bei den derzeitigen Mieteinnahmen, die die IIG hat, wäre das selbstverständlich aussichtslos. Sollte die IIG allerdings ein Verfahren nach § 18 MRG bei der Schlichtungsstelle anstrengen, sie müsste den konkreten Erhaltungsaufwand der Immobilie nachweisen und mit den Mieteinnahmen gegenverrechnen. Soviel Transparenz wollte die IIG freilich ihren Mieter*innen nicht zumuten. Allerdings sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass derartige Verfahren sozial verträglich und transparent abgewickelt werden müssten und aus derzeitiger Sicht eigentlich nicht notwendig wären. Die Praxis von Wiener Wohnen, den Gang zu Schlichtungsstelle regelmäßig zu tätigen, ist mit Sicherheit nicht vorbildlich. Im Zuge dieser Verfahren kam es wiederholt zu deutlichen und teilweise absolut ungerechtfertigten Mietanhebungen, die nicht im Sinne einer sozialen Mietpreisbildung sind. Außerdem ist darauf zu verweisen, dass der § 18 MRG lediglich die Mieteinnahmen der letzten zehn Jahre berücksichtigt und somit Kosten, die durch eine lasche Instandhaltung über Jahrzehnte hinweg entstehen, den Mieter*innen aufbürdet, während bestehende Rücklagen aus früherer Zeit unberücksichtigt bleiben. Hier bräuchte es abgesehen von einem längeren Durchrechnungzeitraum dringend eine Obergrenze für Mieterhöhungen auf einen maximalen Betrag von rund vier Euro netto, die zudem nicht rückwirkend erfolgen dürfen. Außerdem braucht es bei solchen Vorhaben ein Mitspracherecht für Mieter*innen und es muss damit eine wirkliche Verbesserung der Wohnqualität oder eine deutliche Senkung der Betriebskosten einhergehen. Unter dieser Voraussetzung wäre freilich eine moderate Anhebung des Mietzinses in Einzelfällen vertretbar und fände sogar die Akzeptanz der Betroffenen, zumal die Mieten in diesen Fällen lediglich auf das allgemeine Niveau von rund vier Euro netto pro Quadratmeter angehoben würden, aber der von ALI geforderte Mietendeckel dadurch auch für diese Wohnungen nicht außer Kraft gesetzt wäre.
Grundsätzlich wäre aber auch eine weitere generelle Absenkung der Nettomieten in den Stadtwohnungen sogar unter drei Euro möglich, sofern für die Bautätigkeit der Stadt andere Finanzierungsquellen erschlossen werden.
Vorteile des ALI-Mietendeckels
Der Vorteil einer derartigen Absenkung des generellen Mietniveaus neu vergebener Stadtwohnungen liegt nicht nur in der spürbaren Entlastung von etwa 2000 Haushalten, deren Kosten teilweise auf anderer Ebene durch eine Einsparung von Wohnbeihilfen kompensiert wird. Diese könnten in eine Mietzinszuzahlung nach dem Grazer Modell fließen und so Mieter*innen mit einem besonders niedrigem Einkommen unter die Arme greifen. Eine weitere Verwendungsmöglichkeit der freiwerdenden Mitteln liegt in der Finanzierung der von ALI vorgeschlagenen Faircard.
Ein weiterer Effekt ist eine Verstärkung des Anreizes für einen Wohnungstausch, da ältere Mieter*innen ihre Wohnkosten durch einen Umzug in eine ihrem Bedarf entsprechende kleinere Wohnung tatsächlich spürbar senken können. Eine Optimierung der Auslastung der Stadtwohnungen wäre die Folge.
Vor dem Hintergrund, dass die Wohnkosten am privaten Markt für viele nicht mehr bezahlbar ist, muss die Stadt dringend ihre Hausaufgaben erledigen und wenigstens in ihrem unmittelbaren Einflussbereich aufzeigen, wie soziale Mietzinsbildung geht. Gleichzeitig ist diese Maßnahme als eine Komponente einer städtischen Wohnungspolitik zu verstehen, die sich das Ziel setzt, das Recht auf Wohnen für alle Wirklichkeit werden zu lassen. Zielsetzung ist jedenfalls mittelfristig die Senkung der Wohnkosten in Innsbruck auf maximal ein Viertel der Haushaltseinkommen.
Entsprechende Anträge für einen Mietendeckel und eine Mietzinszuzahlung sind bereits ausgearbeitet und werden demnächst in den Gemeinderat eingebracht.
Roland Steixner