Der Anteil der niedergelassenen Wahlärzt*innen steigt. Nicht nur in Wien, sondern auch in Innsbruck hat die Mehrheit der niedergelassenen Ärzt*innen keinen Kassenvertrag. Im Februar 2019 stehen 245 Kassenärzt*innen stehen 357 Wahlärzt*innen gegenüber.
Entgegen den Sonntagsreden von Kassenfunktionär*innen ist das Interesse, den Anteil an Kassenärzt*innen zu erhöhen, begrenzt. Das hat leider einen nachvollziehbaren Grund: Kassen sparen sich durch die Zunahme an Wahlärzt*innen bares Geld. Für die Patient*innen kann das teuer werden. Der Irrglaube, dass 80 Prozent der Kosten von den Kassen refundiert würden, ist leider weit verbreitet. Der Teufel liegt hier im Detail: Patient*innen erhalten nur 80 Prozent der Kosten, die Kassenärzt*innen in Rechnung stellen dürfen, erstattet. Wie viel Wahlärzt*innen verrechnen, steht ihnen selbst frei. Die Patient*innen dürfen die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Da die Beträge, die die Kassen refundieren, im Vergleich zu den Privatarzthonoraren oftmals Bagatellen sind, sparen sich viele Patient*innen die Beantragung der Rückerstattung.
Die Verbesserung der medizinischen Nahversorgung wäre eine dringende Aufgabe, die die Gesundheitspolitik in Angriff nehmen müsste. Die Grundsatzbeschlüsse in diese Richtung liegen längst vor. Die Kassen selbst bewerben diese auch schon längst. Doch die Realität sieht nicht zuletzt in Tirol anders aus. In Tirol kommt der Ausbau von Primärversorgungszentren nicht in Fahrt und in anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus. Warum?
Es besteht anscheinend ein handfestes Interesse an den Wahlarztpraxen. Anstatt die Honorare für die Kassenärzt*innen auf angemessene Beträge zu erhöhen, sparen sich die Kassen diese Ausgaben lieber, zumal sie von diversen Bundesregierungen, vor allem vom türkisblauen Kabinett Kurz, sowie von „Arbeitgeber“-Seite dazu angehalten werden.
Während die Primärversorgungszentren im Schneckentempo daherkommen, schließen kleinere Krankenhäuser sukzessive. Möglicherweise ist der hohe Anteil ans Wahlärzt*innen auch eine Ursache für die gute finanzielle Situation diverser Gebietskrankenkassen. Nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in Tirol.
Dabei wäre die umfangreiche Finanzierung der Krankenkassen bei Anhebung bzw. totaler Abschaffung der Höchstbemessungsgrundlage leicht zu machen. Denn derzeit machen die Zusatzversicherungen hier das große Geschäft mit den Lücken des bestehenden Gesundheitssystems. Wäre das Gesundheitssystem nicht in zahlreichen Bereichen chronisch unterfinanziert, gäbe es für Besserverdienende und schon gar nicht für Normalverdienende einen Anreiz, auf ein profitgetriebenes Gesundheitswesen auszuweichen.
Die „Reformen“ im Gesundheitswesen, die die bis vor kurzem amtierende Bundesregierung vorantrieb, dienten dazu, die Interessen des Kapitals zu bedienen, das das Leid der Menschen zu Geld macht. Bislang haben die Leute diese bitteren Pillen geschluckt. Doch die von Kurz und Co verordnete Medizin macht nicht gesund, sondern ist tödlich.
Roland Steixner