Nachdem rund 30 000 Menschen für den Erhalt des Krankenhauses in Natters unterschrieben haben, scheint die Schließung des Spitals nun vorerst vom Tisch zu sein. Die Pläne zur Integration der Lungenheilkunde in die Innsbrucker Klinik und der Inneren Medizin in das Landeskrankenhaus Hall erweisen sich zudem als überaus teuer. Etwa 70 Millionen Euro sollen die Eingliederungsmaßnahmen kosten. Dabei wird die Sinnhaftigkeit dieser Umstrukturierung auch vom Präsidenten der Ärztekammer bestritten.
Dabei gibt es durchaus begrüßenswerte Reformbestrebungen. Noch im Sommer 2017 hat sich die damals noch amtierende Bundesregierung unter Kern zur Reformierung der Primärversorgung durchgerungen. Dabei hat sie österreichweit 75 Primärversorgungszentren bis 2021 vereinbart. In Tirol sollen im selben Zeitraum sechs derartige Gesundheitheitseinrichtungen entstehen. Diese sollen eine neue interdisziplinäre medizinische Nahversorgung bieten und als erste Anlaufstellen gerade in dichter bevölkerten Gebieten eine Alternative zum klassischen niedergelassenen Bereich darstellen.
Der zunehmende Engpass an Kassenärzt*innen ist absehbar. Gerade im niedergelassenen Facharztbereich ist, ist der Mangel an Mediziner*innen mit Kassenvertrag teilweise gravierend. So ist beispielsweise der Mangel an weiblichen Gynäkologen mit Kassenvertrag in Innsbruck ist seit Langem bekannt. Während die Anzahl der Ärzt*innen mit Vertrag mit den Gebietskrankenkassen seit 2000 nur geringfügig anstieg, verdoppelte sich die Anzahl der Ärzt*innen ohne Kassenvertrag geradezu. Dem gilt es dringend entgegenzusteuern, um die bestmögliche medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung sicherzustellen.
Die engere Vernetzung der Primärversorgung hätte nicht nur Vorteile für die Bevölkerung, sondern dürfte auch den Mediziner*innen die Arbeit erleichtern. Tatsächlich scheint an den geplanten Gesundheitszentren gerade auch unter Ärzt*innen eine größere Nachfrage zu bestehen.
Wo genau die Primärversorgungszentren in Tirol entstehen sollen, ist immer noch unklar. Konkrete Planungen liegen noch nicht vor. Ohne die medizinische Nahversorgung der Bevölkerung durch die Schaffung flächendeckender Primärversorgungszentren mit Fachärzt*innen, Pflegekräften und Tagesbetten ist ein Rückbau der Kapazitäten in den Spitälern jedenfalls lediglich ein Sparprogramm auf dem Rücken der Patient*innen. Eine sinnvolle Gesundheitsreform setzt zuerst auf der untersten Ebene des Gesundheitsystems an, um die Infrastruktur im extramuralen Bereich zu verbessern, ehe sie die Strukturen in den Spitälern effizienter gestaltet. Die Landesregierung zäumt also das Pferd zum Leidwesen der Bevölkerung von hinten auf.
Die Stadt Innsbruck sollte sich daher dringend in die Debatte einbringen und die Errichtung von Primärversorgungzentren in allen Stadtteilen vorantreiben. Der Ausbau einer niederschwelligen, wohnortnahen, interdisziplinären und sozialraumorientierten Gesundheitsversorgung ist freilich längst überfällig.
Roland Steixner
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