Ich schleiche durch den Garten und versuche die Gießkanne ungesehen an den Adleraugen meiner Nachbarin vorbei zu schwindeln. Ich habe nämlich einen Quadratmeter des Gartens für mich erobert. Gäbe es im Real Life auch „Like“- und „Dislike“-Buttons, so würde die Frau Nachbarin jetzt mit einem großen, nach unten weisenden Pappdaumen am Balkon stehen.
Ich wohne in einem 70er-Jahre-Bau mit etwa 30 Parteien, und wir verfügen dank unserer begrünten Tiefgarage über einen für Innsbrucker Verhältnisse sehr großen Gemeinschaftsgarten. Dieser ist wenig liebevoll mit ein paar pflegeleichten Sträuchern und Bäumen bepflanzt, weil die jungen Familien, die damals in den 70ern in dieses Haus einzogen auch gar nichts fürs Garteln übrig hatten. Das änderte sich auch nicht, als die Kinder dieser Familien erwachsen wurden und auszogen, und als die meisten Hausbewohner in Pension gingen. Daher wird der Garten eigentlich nur manchmal von ein paar Kindern aus der Nachbarschaft zum Spielen benützt, ansonsten wird er, wenn man von den Ameisenkolonien und den Amseln absieht, nicht wirklich belebt.
Seit ich diverse Innsbrucker „Urban-Gardening“-Projekte in den Medien mitverfolgte, bemerkte ich, wie sehr ich doch auch den Drang zum Garteln verspürte. Doch mir war bewusst, dass es ziemlicher Unsinn wäre, wenn ich mir eine Parzelle dort mieten würde. Ich müßte jedes Mal nach der Arbeit extra ans andere Ende der Stadt gondeln, nur um meine Pflänzchen zu gießen. Außerdem habe ich bei Freunden mitverfolgt, dass sie von manchen Gemüsesorten dermaßen viele Überschüsse auf ihrer eigentlich zu großen Mietparzelle produzierten, dass sie dann dauerbeschäftigt damit waren, das überzählige Gemüse irgendwie haltbar zu machen. Ich möchte aber keine eingelegten Zucchini – als mäßig gute Köchin wüßte ich nicht einmal, wie ich diese dann schmackhaft weiterverarbeiten soll.
In meiner Nähe steht das alternative Wohnbauprojekt „Haus im Leben“, und immer wieder schielte ich neidisch auf die Hochbeete der Hausbewohner. Nachdem ich im vergangenen Jahr einfach, ohne irgendjemanden zu fragen, einen Stachelbeerstrauch für die Kinder in unseren Garten pflanzte, habe ich mir heuer ein Herz gefasst und hinter der Tiefgarage die immer stärker wuchernden Sträucher ausgelichtet. Dadurch konnte ich einen Quadratmeter sonnige Fläche gewinnen, und ein Erdhaufen war auch schon da, weil der Hausmeister dort in früheren Jahren immer den Rasenschnitt entsorgte.
Den Erdhaufen bestückte ich dann mit drei Zucchinipflänzchen, was wiederum meine Nachbarin gar nicht gut fand. „Wo kommen wir denn hin, wenn jetzt jeder einfach sein Gemüse in den Garten pflanzt?“, meinte sie erbost, hat aber dennoch bislang noch keine Sabotageakte an meinen Zucchinis verübt.
Ja, wo kommen wir da nur hin, wenn wir bisher weitgehend ungenützte Gärten gemeinschaftlich neu gestalten? Ich denke, dass die meisten Grünanlagen in der Stadt auf jeden Fall vielseitiger gestaltbar wären. Einerseits müßten Spielflächen für Kinder zwar erhalten bleiben, aber andererseits ließen sich auf relativ kleinen Raum auch Garteninseln und Hochbeete anlegen. Die Leute könnten dort Blumen, Kräuter und etwas Gemüse anpflanzen, und dabei würden sie auch ins nachbarschaftliche Gespräch kommen. Das Garteln bringt die Leute zusammen, und so habe ich inzwischen auch schon eine weitere Frau aus unserem Haus mit der Gartenkreativität angesteckt. Sie kümmert sich nun liebevoll um ein Blumenbeet und um den Rückschnitt der Sträucher. Sie sagt, das ist nach dem Tod ihres Sohnes nun die beste Therapie für sie.
Ich denke, ein Garten ist ein Lebensraum, und es ist schade, wenn man nur vom Fenster aus in den Garten schaut, anstatt ihn vielfältig nutzbar zu machen und zu beleben. Und, wer eben keine Lust hat einen Garten zu benützen, der soll es halt bleiben lassen – er spürt den Mehrwert dann möglicherweise dadurch, dass dann vielleicht nicht mehr dauernd eine teure Gartenbaufirma gerufen werden muss, wenn der Strauchschnitt wieder ansteht.
Autorin: Irene Labner
2 Gedanken zu „Die Rückeroberung der Gärten im urbanen Raum“
Gratuliere. Ich hab mir auch ein Stück „Garten“ im Hof erobert… Najaaaa, erobert ist nicht das richtige Wort… Bepflanzt…. und die Pfringstrose ist zwar schon verblüht, aber dafür ist die ausgeilderte Bohne am anwachsen… Ich freu mich schon auf die Früchte.. und die Fensterbrett-Blumen gedeiehen sowieso prächtig…
Ich werde versuchen jedes Jahr ein, zwei Dinge dazu zu setzen. Heute habe ich schon mit der Nachbarin einen Gartenrundgang gemacht, und wir waren uns einig, dass Ribiselsträucher eine nette Idee wären. LG Irene