“Der Winter naht.” – über die Zerstörung der Innsbrucker Stadtdemokratie

Vor wenigen Tagen verkündeten die vier Parteien der Innsbrucker Stadtregierung (Grüne, ÖVP, SPÖ und Für Innsbruck), dass sie sich mit Unterstützung der FPÖ und der Neos auf eine Stadtrechtsänderung geeinigt haben. Dabei verfolgt dieses “Bündnis des politischen Einheitsbreies” ganz klar eine Agenda des Machterhaltes und des Demokratieabbaues.

Das neue Stadtrecht sieht unter anderem eine 4%-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat vor, was bedeutet, dass der Einzug (also das erste Mandat) für neue Listen ungleich schwerer zu erringen ist als für etablierte, große Wahlparteien. Es stellt sich die Frage, weshalb sich 37 MandatarInnen vor den drei Vertretern der Ein-Personen-Fraktionen dermaßen fürchten, dass sie diese Sperrklausel einführen möchten. Wenn eine Liste zur Wahl kandidiert und ein Vierzigstel der Wählerstimmen erhält, weshalb soll sie dann nicht einen der 40 GemeinderatsmandatarInnen bestellen?

Keine andere Gemeinde in Österreich hat eine solche Sperrklausel. Die einzige Ausnahme stellt Wien dar, weil das Wiener Stadtparlament gleichzeitig auch ein Landtag ist. Somit werden künftig die Innsbrucker WählerInnen den EinwohnerInnen anderer Gemeinden gegenüber diskriminiert. Umgelegt auf die letzte Gemeinderatswahl wären das 5.850 WählerInnen, die so keine stadtparlamentarische Vertretung mehr hätten. Im Grunde genommen sind Sperrklauseln dreister Stimmenklau, denn die Wählerstimmen für jene Listen, die an der 4%-Hürde knapp scheitern, die kommen letztlich den großen Parteien zu Gute.

Das Ohr offen für die Anliegen der BürgerInnen? Dieses Ohr für BürgerInnennähe hat sich dieses “Bündnis des politischen Einheitsbreies” spätestens damit abgeschnitten, dass es die Stadtteilausschüsse abschaffen und die Hürden für BürgerInneninitiativen vervielfachen will. Dabei sind die Stadtteilausschüsse jenes Fundament, das es benötigen würde, um die BürgerInnenbeteiligung in der Stadt auszubauen. Vill (mit seinen etwa 543 EinwohnerInnen) und Igls (mit seinen etwa 2478 EinwohnerInnen) hatten bisher sehr fleißige und aktive Stadtteilausschüsse. Ihre Aufgabe war es, die Interessen der Viller und Igler Bevölkerung in den Gemeinderat hineinzutragen.

In Summe kann man also mit all jenen BürgerInnen, die in der Zukunft um ihre stadtparlamentarische Vertretung umfallen werden, die große Innsbrucker Olympiahalle füllen. Der Stadtregierung scheint dies egal zu sein, vielmehr bauen die etablierten Parteien darauf, künftig ihre Machtpositionen weiter zu stärken und kritische Stimmen auszublenden. Man versucht stattdessen, die InnsbruckerInnen mit einer Pseudobürgerbeteiligung zu beruhigen, und gewährt gnädig das Einbringen eines BürgerInnenantrages in den Gemeinderat, sofern 600 Personen (etwa die halbe Wahlzahl) an UnterstützerInnen unterzeichnen. Dabei würde die Katastralgemeinde Vill mit ihren 543 Einwohnern nicht einmal dieses Quorum alleine schaffen.

Ein Beispiel: Die BürgerInnen eines Stadtteiles erfahren von einem Bauprojekt in ihrer Nachbarschaft, das sie abwenden wollen. In der Natur der Sache liegt es aber, dass die BürgerInnen über ein solches Bauprojekt meist erst erfahren, wenn dieses dann bereits vom Bauauschuss empfohlen und vom Gemeinderat durchgewunken wurde. Dann müssen sie sich erst organisieren und 600 Unterschriften von nachweislich wahlberechtigten InnsbruckerInnen sammeln, damit sie überhaupt einen formgerechten Gegenantrag im Gemeinderat einbringen können. Diesen Antrag wird der Gemeinderat dann vom Tisch wischen mit der Argumentation, dass es aber schon zu spät sei, weil das Bauprojekt bereits genehmigt ist und man dem Bauträger gegenüber nicht vertragsbrüchig werden möchte.

Der Winter naht also für die Innsbrucker Stadtdemokratie. Besonders traurig ist es, dass dieser Demokratieabbau unter dem Vorsitz des grünen Bürgermeisters Georg Willi stattfindet. Georg Willi saß übrigens selbst als einzelner Mandatar seiner Liste von 1989-1994 für die Vereinten Grünen im Innsbrucker Gemeinderat.

Pressekonferenz der drei Ein-Personen-Fraktionen gemeinsam mit den Bürgerintitiativen Innsbruck am 16.04.2019

 

Autorin: Irene Labner

Links:

https://www.tt.com/politik/landespolitik/15533082/aenderung-des-stadtrechts-innsbruck-plant-4-prozent-huerde

https://www.tt.com/politik/landespolitik/15549909/gegen-stadtrechts-novelle-formiert-sich-in-innsbruck-widerstand

https://www.innsbruck.gv.at/page.cfm?vpath=index/wahl-2018

Ein Gedanke zu „“Der Winter naht.” – über die Zerstörung der Innsbrucker Stadtdemokratie

  1. Wenn sich die fünf großen Fraktionen in einem unseligen Schulterschluss, gegen eine echte Bürgerbeteiligung verschwören, dann ist der Bürger berechtigt und verpflichtet zugleich seine Rechte auch in Form des Protestes zu wahre
    Die Bürger müssen sich zur Wehr setzen, wenn in einem unvorstellbarem Anschlag auf die Demokratie, ein von einem Jus-Studenten geführter Ausschuss, ohne jede Not beschließt, die Stadtteilvertretungen abzuschaffen. Stadtteilvertretungen welchen selbst von jenen Politikern, welche sie nun abschaffen wollen, eine hervorragende Arbeit attestiert wird und welche im Fall von Igls seit einem viertel Jahrhundert besteht. In den Stadtteilvertretungen arbeiten, direkt nach dem Persönlichkeitswahlrecht gewählte Mandatare, ehrenamtlich, in ihrer Freizeit für die Bürger im Stadtteil und für die Stadt. Wenn aus parteipolitischen Überlegungen, der jahrzehntelange Einsatz und die Arbeit dieser Menschen mit Füßen getreten wird, muss es zu anhaltenden Bürgerprotesten kommen.

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