Der Sparstift trifft immer die Schwächsten – ein Plädoyer gegen das Kaputtsparen des Gesundheitssystems

Auch in Österreich gibt es Menschen, die keinen Versicherungsschutz haben. Wenn sie krank sind, so werden sie vom regulären Gesundheitssystem nicht aufgefangen. Die Zahl der Menschen ohne Sozialversicherung ist zwar seit der Einführung der Mindestsicherung gesunken, aber dennoch sind tausende Menschen hierzulande nicht krankenversichert.

Oft handelt es sich dabei um obdachlose und prekär beschäftigte Menschen, die von ihrem „Arbeitgeber*innen“ nicht bei der Sozialversicherung angemeldet werden und die sich nicht dagegen wehren (können). Die meisten von ihnen sind Migrant*innen, aber es gibt auch Österreicher*innen, die nicht versichert sind. Wenn diese Menschen medizinische Probleme haben, dann gibt es nur einen Ausweg: eine niederschwellige medizinische Versorgung, wie sie etwa Medcare in Kooperation von Caritas und dem Roten Kreuz in Innsbruck anbietet.

Dort werden Menschen ohne Krankenversicherung kostenlos medizinisch behandelt. Zudem besteht eine enge Kooperation mit den regulären Gesundheitseinrichtungen. Wenn die Ärzt*innen von Medcare nicht mehr weiterhelfen können, dann werden die Patient*innen in die Klinik überwiesen. Die Versorgung findet sowohl in der Praxis am Innrain als auch mobil auf der Route des Vinzibus-Route, der Teestube und bei Bedarf auch in der Winternotschlafstelle Amraser Straße statt. Dabei ist die Dienstleistung nicht nur die medizinische, die vom Tiroler Roten Kreuz und dessen Mitarbeiter*innen geleistet wird. Die Caritas bietet dazu ergänzend Sozialberatung an. Ziel ist es, die Hilfesuchenden den Weg in das reguläre Sozialversicherungssystem zu bahnen.

Das Gemeinschaftsprojekt von Caritas und dem Roten Kreuz finanziert sich neben dem Spendenaufkommen durch finanzielle Unterstützung vom Land Tirol, der Stadt Innsbruck und der Tiroler Gebietskrankenkasse. Die durch die schwarzblaue „Reform“ zum Sparen gezwungene TGKK droht freilich bei derartigen Projekten künftig den Sparstift anzusetzen. Ähnliches geschieht bereits bei der AUVA, die durch die von der Bundesregierung erzwungenen Einsparungen von rund 500 Millionen Euro zur Kündigung von Kooperationen zur Förderung der Verkehrssicherheit gezwungen wird. Ein Teil der Ausfälle bei der AUVA wird auf die Krankenversicherung umgewälzt und die Lohnnebenkostensenkung für die Großkonzerne wird auch die Krankenkassen betreffen. Wenn diese etwaige Leistungskürzungen für die Versicherten so lange wie möglich abwenden und die Einführung von Selbstbehalten so lange wie nur möglich hinauszögern wollen, dann werden sie als erstes die Finanzierung von Projekten wie Medcare einstellen müssen. So dürfen sich die Schwachen mit den Schwächsten um die Krümel streiten von dem Kuchen, den das Kapital aufgefressen hat. Das Projekt Medcare kann froh sein, dass es nicht auf Unterstützung der Bundesregierung angewiesen ist. Ansonsten wären die finanziellen Zuwendungen ohne Vorankündigungen gekürzt oder gar gestrichen worden.

Eine niederschwellige medizinische Versorgung auch für Menschen ohne Versicherungsschutz darf aber keine Verhandlungsmasse sein. Daher ist breite Koalition gegen die unsozialen Zumutungen der Bundesregierung dringend nötig. Der Abriss des Gesundheits- und Sozialsystems muss aufgehalten und stattdessen dessen Baulücken geschlossen werden. Die Gesundheitsversorgung muss insgesamt niederschwelliger und für alle noch leichter zugänglich sein. Die Ursachen von Krankheit müssen gesellschaftlich angegangen werden. Treten wir daher gemeinsam und solidarisch ein für eine barrierefreie Gesundheitsversorgung für alle. Ohne Hürden, Rezeptgebühren und Selbstbehalte.

Autor: Roland Steixner

Links:

https://derstandard.at/2000085860934/Zahl-der-Menschen-ohne-Krankenversicherung-stark-gesunken

https://www.roteskreuz.at/tirol/pflege-betreuung/sozialangebot/medcare

http://www.tt.com/panorama/gesellschaft/13948880-91/obdachlose-bekommen-neue-praxis.csp

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