Blauschwarzer Mottenfraß am sozialen Netz

Tiroler Tageszeitung 24.05.18

Die blauschwarze Bundesregierung hat nun ihre Drohungen wahrgemacht, und es ist nun bereits zu ersten Einsparungen an unserem Sozialstaat gekommen. Von den Einsparungen sind sehr viele Bereiche betroffen, wodurch unser gesellschaftlicher Frieden ernsthaft bedroht wird, z.B. die Bereiche Justiz, Bildung, Arbeitsmarktservice, Kultur und auch jene sozialen Zuständigkeiten, für die das Sozial- und das Frauenminsterium zuständig sind. Besonders schlimm ist, dass die Kürzungen durch die Ministerien auch nicht wirklich an die betroffenen Vereine kommuniziert wurden. Das verursacht große Planungs- und Finanzunsicherheit bei den betroffenen Institutionen und Vereinen.

Die Alternative Liste Innsbrucks hat sich daher bei über 80 sozialen Vereinen in Tirol umgehört, ob sie von Kürzungen betroffen sind, und wie sich diese für ihre jeweiligen Einrichtungen auswirken. Dabei stießen wir auf Informationen des Dachverbands der Familienberatungsstellen. Dieser betreute im Jahr 2017 über 230.000 Kinder, Frauen und Männer in über 475.000 Gesprächen. Die Leistungen der österreichischen Familienberatungsstellen müßten um ca. 26.000 Beratungseinheiten gekürzt werden, was für die ratsuchenden KlientInnen dramatische  Folgen hätte. Die kirchennahen Familienberatungsstellen, welche in der ARGE “Beratung, Psychotherapie, Mediation” zusammengeschlossen sind, vermelden ähnliche Zahlen.

Die im Raum Innsbruck tätigen Frauenberatungsstellen haben ein düsteres Bild gezeichnet, denn vor allem beim Frauenministerium wurde besonders viel an Förderungsbudget eingespart. Das bedeutet, dass etwa Frauen, die Schutz vor häuslicher Gewalt suchen, noch länger auf Beratungstermine warten müssen. Und jene Frauen, die etwa Opfer von Vergewaltigungen wurden, die können sich künftig nicht einmal mehr sicher sein, ob eine psychosoziale Begleitung oder eine Rechtsberatung für sie noch gewährleistet sein wird.

Im Bereich der Männerberatung werden die Kürzungen der Bundessubventionen ebenfalls schlimme Konsequenzen nach sich ziehen. So müssen Klienten bereits jetzt etwa 3 Monate auf einen Beratungstermin warten, und infolge der Einsparungen würden sich die Wartezeiten sogar verdoppeln. Manchmal benötigen hilfesuchende Männer in familienrechtlichen Streitverfahren eine Bestätigung über eine Beratung bei der Männerberatungsstelle, damit sie Umgang mit ihren Kindern erhalten. Das bedeutet für die Männer, aber vor allem auch für die betroffenen Kinder, eine längerdauernde Beschränkung ihrer Rechte. Und jene Männer, die sich an die Männerberatungsstelle wenden um sich einer Intervention wegen ihres Gewaltpotentials zu unterziehen, die  erleiden unter Umständen aufgrund der extrem langen Wartefristen Depressionen oder gar Gewaltausbrüche. Dies wirkt sich direkt auf die betroffenen Familien der Ratsuchenden aus.

Auch bei Suchtberatungsstellen und Integrationsprojekten wird gespart. Und gerade jene Vereine, die ohnehin schon sehr viel ehrenamtliche Arbeit leisten, die betrifft es doppelt. Denn die Förderbudgets des Bundes wurden schon jahrelang nicht an den Index angepasst, das heißt, es kam ohnehin schon zu laufenden Kürzungen bei steigendem Bedarf. Darüber hinaus haften die Obleute solcher Vereine ja auch für die Finanzsituation eines Vereines. Jemand, der dann ja nicht einmal eine finanzielle Entschädigung für seine gesellschaftlich wertvolle Arbeit erhält, der muss dann im Extremfall sogar mit seinem Privatvermögen für die entstandenen Finanzlöcher haften. Das ist existenzschädigend, nicht nur für den gesamten Verein, sondern auch für die dahinter stehenden, oft ehrenamtlich tätigen Personen.

ALI wird daher im Juni-Gemeinderat Anträge einbringen. Die neugewählte Stadtregierung soll umgehend mit dem Land in Kontakt treten um auf den Bund einzuwirken. Wenn die Bundesregierung die Subventionskürzungen nicht zurücknimmt, dann muss die Stadt Innsbruck gemeinsam mit dem Land Tirol sofort einen Maßnahmenplan erstellen, sodass die entstandenen Einbußen der sozialen Vereine kompensiert werden.

Wer an den Schwächsten spart, der zerstört das soziale Netz. Das hat auf Jahrzehnte hinaus negative Auswirkungen auf die Leben der betroffenen Kinder, Männer und Frauen!!!

Mesut Onay und Irene Labner bei der Pressekonferenz am 23.05.18

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