Das seltsame Verschwinden des Inneren Schweinehundes: über Kunstzerstörung in Innsbruck.

1993 fertigte der Künstler Jens Galschiot Christophersen 20 Skulpturen des „Inneren Schweinehundes“ (Originalbezeichnung „My Inner Beast„) an und verteilte sie in einer Nacht- und Nebelaktion in 20 europäischen Städten. Die Skulpturen sollen eine Erinnerung daran darstellen, wie wir in Europa mit Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit umgehen.

„Some cold November days in 1993, twenty European cities woke up to a surprise. In the centre of the most important square in town, a more than two metres high, black figure of a pig in a man’s clothes had appeared. A brass sign announced; My Inner Beast – an animal of the lowest instincts. It attacks our ethical values and can completely seize power over man – and in the extreme over whole populations. Do not feed! 
There it was. Frightening, but also recognizable and apparently human. As if standing in front of a mirror, we were all of a sudden face to face with an unequivocal symbol of the most repulsive sides of the human race. An art happening was taking place. Danish sculptor Jens Galschiot had created the Beasts to stress that: It is not the foreigners, but our reaction to the foreigners, that threatens our civilisation. Unfortunately, 10 years after the sculpture has not become less relevant. The question still is how far we are prepared to go to keep our wealth for ourselves. Do we need to build a new Berlin-wall to fortify wealthy Europe against the fugitives of war, the poor and the immigrants? If we do so, are we then still able to make a claim on our ideals of freedom, equality and brotherhood?“ Pressezitat

Jens Galschiot „My Inner Beast“/ Wikipedia

Auch Innsbruck erhielt eine solche Betonskulptur vor das Landestheater gestellt. Der damalige Bürgermeister Romuald Niescher dankte dem Künstler damals in einem Schreiben dafür und ließ die Skulptur in den Rapoldipark verfrachten wo sie bis Anfang der 2000er Jahre ihr Zuhause fand. Dann verschwand die Skulptur ohne, dass Informationen über ihren Verbleib der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden.

Die Alternative Liste Innsbrucks stellte vor kurzem eine Anfrage zum Verbleib des Kunstobjektes an die Stadt Innsbruck. Zur Beantwortung erhielten wir folgenden Kommentar retour: „Laut Mag.-Abt. III, Grünanlagen, wurde die Skulptur so stark beschädigt, dass sie nicht mehr restauriert werden konnte. Die vielen kleinen Bruchstücke mussten entsorgt werden.“

Die Anfragebeantwortung hat uns ziemlich überrascht, da wir eigentlich hofften, dass die Skulptur noch irgendwo in einem Depot schlummert und eventuell wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte. Doch die Figur wurde beschädigt, ja offenbar unwiederbringlich zerstört. Aber eine gerade mal etwa 10 Jahre alte Betonskulptur zerfällt doch nicht einfach von selbst in viele Einzelteile zumal die anderen zeitgleich gefertigten Duplikate in einigen anderen Städten ja noch in sehr gutem Zustand sind – das kommt uns schon etwas seltsam vor. Gab es einen Vandalenakt oder war die Zerstörung möglicherweise Folge eines Transportunfalls? Wie kann so etwas sein?

Das traurige Faktum ist: Etwa 10 Jahre nach der Verteilung der Skulpturen recherchierte der Künstler Galschiot was aus den Figuren wurde. Zum damaligen Zeitpunkt (2002/2003) wußte der Künstler jedoch noch nicht, dass auch seine Innsbrucker Skulptur nicht mehr existent ist. Innsbruck reiht sich daher nun ein in eine ganze Reihe von Städten in denen „Der Innere Schweinehund“ auf mysteriöse Weise zerstört oder verschwunden ist.

Von den ursprünglich 20 Standorten scheinen also nur mehr eine handvoll Städte übrig geblieben zu sein, welche die Skulpturen mit einem dauerhaften und sicheren Standort wertschätzen, u.a. Kopenhagen, Mailand, Barcelona und Bonn. Deutschland hat die Figur sogar in seine Staatssammlung aufgenommen. Was für eine Schande, dass Innsbruck diese wichtige Plastik nicht entsprechend gewürdigt und erhalten hat. Es ist ein kulturelles Armutszeugnis, dass man die Figur nach ihrer nicht näher erklärten Zerstörung nicht restauriert oder zumindest ihre Bruchstücke in einem Depot aufbewahrt sondern entsorgt hat.

Die Alternative Liste Innsbrucks hat sich daher nun für weitere Schritte entschieden: Der Künstler wurde von uns per Email über die Zerstörung seiner Skulptur und über die Anfragebeantwortung der Stadt informiert. Darüber hinaus werden wir eine weitere Anfrage stellen. Wir wollen wissen, ob die Skulptur einem Vandalenakt oder etwa einem Transportunfall zum Opfer fiel. Außerdem interessiert es uns weshalb die Bruchstücke nicht aufbewahrt wurden, da sie nicht nur Teil eines europaweit angelegten Kunstprojektes gegen Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit darstellen, sondern auch ein Mahnmal dafür sind, dass die Menschen sich offenbar mit ihrer eigenen Haltung gegenüber Fremden und Menschen, die aus der Norm fallen, unzulänglich auseinander setzen. Ein Kunstobjekt wurde zerstört und die Öffentlichkeit erhält darüber keine Kenntnis. Die Scherben werden einfach unter den Teppich gekehrt.

Autorin: Irene Labner

Weiterführende Links:

http://www.aidoh.dk/art_and_events/mib/ukmibdok.htm

https://en.wikipedia.org/wiki/My_Inner_Beast

http://www.aidoh.dk/art_and_events/summits/parissocial/uk_forumParis_press01.htm

http://www.aidoh.dk/new-struct/About-Jens-Galschiot/CV-short.htm

Schreibe einen Kommentar