Soziale Verwerfungen in der Corona-Krise

Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Verbreitung des neuartigen Corona-Virus ergriffen werden, treffen viele Menschen besonders hart. Die sozialen Auswirkungen der Gesundheitskrise sind immens.

„Dahoam bleiben“ ist nicht für alle möglich. Einige Menschen haben nämlich kein „Dahoam“. Für sie der Weg zu einer Versorgung nur umso schwieriger. Die Teestube hat derzeit geschlossen, Duschgelegenheiten gab es zwischenzeitlich keine. Auch wenn die Stadt mittlerweile darum bemüht ist, deren Lage zu verbessern und einige Einrichtungen weiterhin geöffnet haben, ist der Alltag für Wohnungslose nun schwieriger, da sie derzeit oft nicht wissen, wohin sie gehen sollen. Bei den derzeit durchgeführten Polizeikontrollen werden Wohnungslose nicht selten aus Parks verwiesen oder aufgefordert, einen Schlafplatz vorzuweisen. Immer wieder kommt es zu Schwierigkeiten, wenn Leute bei Kontrollen das Abstandsgebot nicht einhalten. Gerade jetzt, wo ein einfacher Zugang zu einer sozialen Grundversorgung besonders wichtig wäre, erhöhen sich die Hürden für einige besonders. So richtig die Maßnahmen zum Infektionsschutz auch sind, sie haben den Nebeneffekt, den Zugang zu Hilfeleistungen schwerer zu gestalten als sonst. Diese Menschen sind aber besonders gefährdet, wenn sie sich anstecken sollten. Sollte ihr Zustand akut werden, dann ist es für sie besonders schwierig, Hilfe zu organisieren. Denn im Ernstfall kommt es auf jede Minute an. Hinzu kommt, dass Wohngslosigkeit ohnehin ein gesundheitsgefährdender Zustand ist und daher oft mit Vorerkrankungen einhergeht, die sich auf den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 ungünstig auswirken. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig ein umfassendes Housing-first-Projekt für Innsbruck wäre.

Im Zuge der Corona-Krise haben bereits über 170 000 Menschen in ganz Österreich ihren Job verloren. Einige davon auch in Innsbruck. Zusätzlich dazu sind auch zahlreiche „neue Selbständige“ und Kleinunternehmer*innen ihrer Existenzgrundlage beraubt. Viele dieser Menschen wissen jetzt nicht mehr, wie sie noch ihre Wohnkosten begleichen können. Die einen haben Kredite zu bedienen, die anderen die Miete zu bezahlen. Auch für diejenigen, die auf Kurzarbeit gesetzt werden, ist die Einkommenslage prekär. Sie müssen mit 80 bis 90 Prozent ihres bisherigen Einkommens auskommen. Eine gute Nachricht für diese Leute ist, dass Land und Stadt angekündigt haben, während der Krise niemanden zu delogieren und niemandem den Strom abzuschalten. Doch ob die Stadt Innsbruck den schwer von der Krise betroffenen Menschen die Miete erlässt oder zumindest deutlich reduziert, bleibt unklar. Von Seiten des Landes, wird das jedenfalls vorsichtig angedeutet. Gerade vor dem Hintergrund der jetzigen Krise wäre es eine gute Sache, wenn eine unbürokratische Hilfe der Stadt dafür sorgen würde, dass die Mieten in den Stadtwohnungen maximal ein Viertel des Haushaltseinkommens der Mieter*innen ausmachen würde. Außerdem ist es unverständlich, dass die Stromkosten per 1. April steigen sollen. Immerhin schrieben IKB und TIWAG in den letzten Jahren wiederholt Bilanzgewinne und konnten auch ihre Rücklagen aufstocken. Im Jahr 2018 hat die IKB einen Gewinn von 22 Millionen Euro eingefahren, genug um jeden Menschen, der in Innsbruck wohnt, mindestens 130 Euro auszuzahlen. Gleichzeitig sollen die Menschen in Innsbruck immer mehr für den Strom zahlen. Gerade in Krisenzeiten ist das nicht vertretbar. Es ja schön, dass derzeit generös auf Stromabschaltungen verzichtet wird, aber vor dem Hintergrund, dass die IKB kommunales Eigentum ist, könnten die Menschen erwarten, dass zumindest in dieser Krisenzeit die Anhebung der Stromkosten ausgesetzt wird.

Die aktuelle Krise treibt mitunter sehr skurrile Blüten. Kluge Gesundheitstipps sind derzeit an jeder Ecke erhältlich und was anfangs durchaus sinnvoll erschien, wird mittlerweile schon fast belästigend, wenn es zu oft wiederholt wird. Denn nach dem gefühlt tausendsten Vormachen des Händewaschens fühlen sich die Menschen nicht mehr ernst genommen. Das Händewaschvideo der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mehr Tiefsinn, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die EU-Kommission hat nämlich die Mitgliedstaaten im Zeitraum von 2011 bis 2018 insgesamt 63 Mal dazu aufgefordert, im Gesundheitswesen zu kürzen. Dazu passt es dann, wenn die Kommissionspräsidentin angesichts der katastrophalen Ereignisse in Italien ihre Hände in Unschuld wäscht, während sie die Europahymne summt. Die Leute erwarten von der Politik Maßnahmen gegen die Krise und eine Lösung ihrer existenziellen Probleme. Die unzähligen Hygienetipps erscheinen dagegen eher wie ein Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit. Nun wird immer offenkundiger, dass der Strukturplan Gesundheit 2025 in vieler Hinsicht in die falsche Richtung zeigt. Der Abbau von Bettenkapazitäten hat verheerende Auswirkungen, wenn die Region einmal von einer Epidemie heimgesucht werden sollte. Wenn die Hotels zu rund 60 Prozent ausgelastet sind, so spricht man von einem Hotelbedarf. Wenn die Spitalbetten nur zu 80 Prozent belegt sind, so wird diese „Überkapazität“ als Kostenfaktor betrachtet. Dass der anvisierte Bettenabbau nicht mit einem entsprechenden Ausbau der Primärversorgungszentren einhergeht, sei nur nebenbei erwähnt. Dabei ist bekannt, dass Pandemien wie die aktuelle Corona-Pandemie auch in Zukunft zu erwarten sind und ein Gesundheitswesen darauf reagieren können muss.

Es bleibt zu hoffen, dass die Politik aus den aktuellen Ereignissen lernt, dass im Sozial- und Gesundheitswesen nicht gespart werden darf und dass für diese Invesititionen auch die Reichen angemessen zur Kasse gebeten werden. Ansonsten wäre der massenhafte Run auf Klopapier nachvollziehbar, denn ein Weiter-so-wie-bisher wäre wirklich zum….

Roland Steixner

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