Den Luxus eines Fünf-Sterne-Hotels kann sich die Stadt nicht leisten

Der Philosoph Epikur hat die menschlichen Begierden in drei Kategorien eingeteilt. Demnach gibt es natürliche und notwendige Bedürfnisse, natürliche und nicht notwendige Bedürfnisse und eitle Bedürfnisse. Erstere muss sich der Mensch dringend erfüllen, um nicht zu sterben oder krank zu werden. In diese Kategorie fallen Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung im Krankheitsfall etc. Die Erfüllung der Bedürfnisse der zweiten Kategorie macht das Leben angenehmer, ist aber nicht lebensnotwendig. Hierunter werden der Sexualtrieb und das Bedürfnis nach einem besonders gutem Essen gezählt. Die eitlen Begierden versagt man sich besser gleich, weil die Kosten für deren Erfüllung unverhältnismäßig hoch sind. Darunter fallen Bedürfnisse nach Macht, Ruhm und besonderem Luxus. Es ist nicht immer leicht, diese Kategorien tatsächlich auseinanderzuhalten, aber sie geben eine grobe Richtschnur in der Bewertung der menschlichen Begierden, die an sich letztlich politisch ist. Nicht zuletzt deshalb wurde die Ethik Epikurs in der Aufklärung eifrig rezipiert und Karl Marx beschäftigte sich nicht nur mit dessen Ethik, sondern auch mit dessen Naturlehre.

Linkes und bürgerlich-liberales Denken verbindet ein positiver Bezug auf die menschliche Freiheit, die auch das Recht auf Bedürfniserfüllung für alle mit einschließt. Wer aber alle Bedürfnisse gleich bewertet, verfängt sich angesichts der einander widersprechenden Bedürfnisse der einzelnen Menschen in Widersprüche. Das Bedürfnis des einem nach einem Sklaven widerspricht dem der anderen nach Handlungsfreiheit und Selbstbestimmung. Das Bedürfnis des einen nach erlesenem Luxus widerspricht dem Bedürfnis der anderen nach Deckung der Grundbedürfnisse. Und hier wird klar, was die Aufgabe der Politik in emanzipatorischen Sinne sein muss: Die Deckung der Grundbedürfnisse für alle sicherzustellen. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf Bedürfniserfüllung, aber nicht alle Bedürfnisse können gleichermaßen berücksichtigt werden.

Brechen wir das jetzt endlich auf die profane Ebene der Stadt Innsbruck herab: Bürgermeister Georg Willi wird in der Tiroler Tageszeitung mit der Aussage „Eine Stadt wie Innsbruck braucht ein Fünfsternehotel“ zitiert. Vor dem Hintergrund der hier vorher angestellten Betrachtungen drängen sich nun folgende Fragen auf:

  • Warum „braucht“ eine Stadt ein Luxushotel? Geht sie zugrunde, wenn sie keines hat? Stürzen dann sämtliche Häuser ein? Bricht ihre Infrastruktur zusammen? Also können wir das Subjekt dieses Behauptungssatzes nicht ganz wörtlich nehmen. Wenn wir die Frage nach dem Subjekt genauer stellen, so werden wir wohl der Sache um einiges näherkommen, wenn damit bestimmte einflussreiche Personengruppen gemeint sind, die ein Bedürfnis danach haben, ihre Kassen zu füllen.
  • Wir haben in der Stadt einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der ganz konkret Menschen fehlt, die in der Stadt leben. Vielen Menschen ist das Leben in der Stadt Innsbruck schlicht und einfach zu teuer. Fläche ist nicht nur in Innsbruck – wenn auch hier ganz besonders – eine endliche Ressource, mit der die Grundbedürfnisse der Menschen, die hier leben, abzudecken sind. Das Bedürfnis nach Fünf-Sterne-Hotels, das nach Epikurs Schema definitiv unter die Kategorie „Eitle Begierden“ fällt, hat also derzeit keinen Platz.

Georg Willi ist in dieser Hinsicht kein politischer Einzelfall, sondern die Regel. Wer keinen klaren Kompass hat, um die Interessen der unterschiedlichen Akteure zu ordnen, wird stets denjenigen am ehesten sein Ohr leihen, die ihre Bedürfnisse mit größter Lautstärke und dem größten monetären Nachdruck vortragen. Als es um das Meininger-Hotelprojekt in der Blasius-Hueber-Straße ging, hieß es, die Stadt brauche Billighotels. Gleichzeitig verfügt die Stadt über unzählige Vier-Sterne-Hotels. Die Preise in zahlreichen Unterkünften sind tatsächlich sehr hoch und auch „Budget“-Hotels wie das Motel One, das im PEMA 3 einquartiert werden soll, muss mensch sich erst mal leisten können. Wenn es also tatsächlich Hotels braucht, dann am ehesten im Billigsegment. Doch es sieht nicht so aus, dass das Stadtoberhaupt die richtigen Prioritäten setzen wird. Immerhin ließ Willi sich auch mit den Granden der Raiffeisen-Bank im Zuge der Promotion einer künftigen Umgestaltung des Areals der Raiffeisen-Passage fotografieren. Und auch dort soll im Zuge des Neubaus der Gebäude ein Hotel entstehen. Wenig überraschend: Ein Hotel der gehobenen Preisklasse. Innsbruck hat ja offenbar zu wenige Luxushotels. Die zahlreichen Vier-Sterne-Hotels reichen offenbar nicht aus und steigen sich gegenseitig auf die Füße. Der Hotelmarkt wird durch sogenannte „Billig“ketten weiter unter Druck gesetzt und die Konkurrenz wirkt sich gerade für die Reichen, die nach Innsbruck reisen, günstig aus. Am Ende wird das Angebot aber in erster Linie für diejenigen erweitert, die ohnehin genügend Geld haben.

Das stadtplanerische Trio Infernale der PEMA-Türme, das Innsbruck nicht zuletzt seiner Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer verdankt, ist Ausdruck dessen, für wen und was die Stadt ihre Flächenwidmungs- und Bebauungspläne ändert: Für die Reichen und Mächtigen. Für Hotelketten und Immobilienfirmen, die das große Geschäft mit innerstädtischem Wohnraum wittern. Unter ihnen Klaus Ortner, der sich als großzügiger Spender der ÖVP erwiesen hat.

Es geht nicht darum, solche Immobilienprojekte moralisch zu verurteilen. Man kann über die Gier der Superreichen klagen, aber es liegt an der Politik, dem rücksichtslosen Verhalten einzelner Grenzen zu setzen. Wir haben für derlei Firlefanz wie Spekulationsobjekte und Luxushotels in Innsbruck schlicht keinen Platz. Es wäre die Aufgabe des Bürgermeisters, das ein für allemal klar zu machen. Wir haben auch keinen Platz für einen ansteigenden Tourismus. Der bereits bestehende Tourismus ist für die Bevölkerung oft genug eine Belastungsprobe. Wir haben auch keinen Platz für weitere Gewerbeparks, wo der Produktionssektor ohnehin in den letzten Jahren sich verringert. Die Inanspruchnahme von zusätzlichen Grünflächen für die Verbauung hat verheerende ökologische Folgen. Und doch versiegelt Tirol täglich rund zwei Fußballfelder. Wenn die bestehenden verbauten Flächen für Zwecke missbraucht werden, auf die die übergroße Mehrheit gut und gerne verzichten kann und die nicht der Deckung notwendiger Grundbedürfnisse wie Wohnen etc dienen, dann ist das eine Ressourcenverschwendung, die wir uns schlicht nicht leisten können. Leider ist Politik noch immer viel zu kurzsichtig, um die verheerenden Folgen ihres Handelns endlich zu begreifen. Das gilt nicht nur für den Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, der gerade alles unternimmt um den Regenwald am Amazonas, dessen immense Bedeutung für das globale Ökosystem unbestritten ist, vom Erdboden zu radieren. Das gilt – wenn auch in einem abgeschwächten Ausmaß – auch für die Crème de la Crème der heimischen Politik.

Willi ist jedenfalls entgegenzuhalten, das die Stadt sich den Luxus eines Fünf-Sterne-Hotels nicht leisten können. Schon gar nicht dann, wenn die Stadt nicht einmal über eine ganzjährige für alle zugängliche Notschlafstelle verfügt.

Roland Steixner

Foto: unsplash

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